Unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Marie Scheffler berichtet über ihre Erfahrungen als Kulturanthropologin in dem interdisziplinären Projekt 4N. Das Projekt 4N erforscht den Strukturwandel im ländlichen Raum Nordwestdeutschlands. Die Zielsetzung des Vorhabens besteht darin, Transformationspotenziale in Richtung nachhaltiger Entwicklung zu gestalten.
„Du beschäftigst dich also mit Menschen, ich mich mit Pflanzen.” Mit diesen Worten fasste meine Kollegin Karen Baumann, Biologin, vor einiger Zeit unser grundlegendes Dilemma zusammen. Denn: Sie und ich (Marie Scheffler, Kulturanthropologin) hatten uns zum Ziel gesetzt, einen gemeinsamen Artikel zu verfassen. Einen Artikel, der natur- und geisteswissenschaftliche Perspektiven vereinen, quantitatives und qualitatives Arbeiten zu gemeinsamen Erkenntnissen führen und beide Fächer gleichberechtigt zu Wort kommen lassen wollte. Wir hatten nie erwartet, dass es einfach werden würde; die Hürden, auf die wir stießen, waren jedoch noch größer als erhofft.
Kurz zum Kontext: Wir beide arbeiten im Verbund-Projekt 4N an der Universität Vechta im Teilbereich, der sich mit regenerativer Energieerzeugung und Biodiversitätsförderung in der lokalen Landwirtschaft Nordwest-Niedersachsens beschäftigt. Karen schaut sich vor allem an, wie sich die Biodiversität unter PV-Anlagen entwickelt, ich führe Befragungen von Landwirt:innen durch.
Recht früh im Projektverlauf hatten wir uns darauf geeinigt, der Interdisziplinarität eine Chance geben zu wollen. Gemeinsam besuchten wir mit einem Projektstand Veranstaltungen in Cloppenburg und Emden, sprachen mit interessierten Bürger:innen und führten kleine Straßenumfragen durch. Die Basis für den gemeinsamen Artikel sollte schließlich eine Online-Umfrage zu Biodiversität und Energieerzeugung unter Landwirt:innen darstellen: Zusammen konzipierten wir den Fragebogen, bemühten uns um Verbreitung und Karen – die Zahlenaffinere unter uns – übernahm die statistische Auswertung.
Während all dieser Monate gemeinsamer Arbeit diskutierten wir unermüdlich, erklärten uns gegenseitig unsere jeweiligen Fachperspektiven, -begriffe, -traditionen, bemühten uns, die jeweils andere zu verstehen. Zahllose Besprechungen und Mittagspausen, gemeinsame Vorträge, „Feld“-Besuche beieinander und sogar ein gemeinsamer Artikel zu eben jenen Erfahrungen mit interdisziplinärer Arbeit führten mal zu Frust, mal zu erweiterten Horizonten – aber vor allem zu einer Art Starrsinn, diesen geplanten gemeinsamen Artikel irgendwie umsetzen zu wollen.
Die Arbeit an dem Artikel sollte sich schließlich über viele Monate ziehen. Trotz aller Offenheit, aller Erklärungsversuche und Bemühungen, sind die Gräben zwischen unseren sehr unterschiedlich arbeitenden Fächern tief. Ich könnte mittlerweile nicht mehr sagen, wie oft wir den Artikel konzipiert, dann das Konzept wieder verworfen, uns festgefahren und wieder neu gestartet haben. Auch die Schreibphase war ein Experiment: Gemeinsam in Präsenz, aus dem Home Office vorm geteilten Bildschirm (unterbrochen von Nacken-Entspannungs-Turneinlagen), direkt im Tandem im Dokument.
Jetzt ist der Artikel in seiner ersten Version fertig und fast bereit zur Einreichung bei einem interdisziplinären Journal. Ob er dort auch angenommen wird? Das wird sich zeigen. Dennoch sind wir jetzt schon stolz auf unsere gemeinsame Arbeit. Wir haben uns aus unseren Komfortzonen heraus gezwungen, Hürden überwunden und unglaublich viel gelernt. Das interdisziplinäre Zusammenkommen war schwierig und zeitaufwändig, aber es hat auch Spaß gemacht und uns weitergebracht; eine wertvolle Erfahrung, die ich froh bin, gemacht zu haben. Und nun: Daumen drücken für unseren Artikel!
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